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BGH v. 23.1.2024 - VI ZB 88/21

Lückenlose Vollmachtkette in der Form des § 80 ZPO

Gem. § 80 Satz 1 ZPO ist die Vollmacht schriftlich zu den Gerichtsakten einzureichen. Wurde die Prozessvollmacht nicht unmittelbar von der Partei bzw. deren gesetzlichem Vertreter erteilt, muss die Vollmachtkette lückenlos in der Form des § 80 ZPO nachgewiesen werden. Dabei muss grundsätzlich auch die behauptete Generalvollmacht eines Bevollmächtigten zu den Gerichtsakten gegeben werden. Der Nachweis der schriftlichen Vollmacht kann nur durch Einreichung der Originalurkunde - ggf. in beglaubigter Form - geführt werden, die Vorlage von Kopien oder ein urkundlicher Nachweis irgendwelcher Art genügen nicht.

Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist eine vermögenslose Gesellschaft portugiesischen Rechts mit Sitz auf der Insel Madeira. Sie begehrt - soweit noch von Belang - von den Beklagten Schadensersatz wegen angeblich wahrheitswidriger Tatsachenbehauptungen und Falschaussagen in mehreren Vorverfahren. Nachdem die Klägerin die Klage gegen den ehemaligen Beklagten zu 2) zurückgenommen hatte, wies das LG die Klage im Übrigen durch Endurteil ab und erlegte der Klägerin die Kosten des Rechtsstreits auf. Hiergegen legte die Klägerin, vertreten durch die Rechtsanwälte H., Berufung ein. Am letzten Tag der Berufungsbegründungsfrist bestellte sich Rechtsanwalt Dr. W. ebenfalls für die Klägerin und begründete die Berufung mit Schriftsatz vom gleichen Tag.

Das OLG bat die Klägerin mitzuteilen, durch wen sie gesetzlich vertreten wird und setzte ihr eine Frist zur Vorlage der Prozessvollmachten für Rechtsanwalt Dr. W. und die Rechtsanwälte H. Diese übersandten daraufhin eine Fotokopie einer Vollmachtsurkunde vom 14.12.2012 mit der Klägerin sowie deren damaligem Geschäftsführer V. als Vollmachtgebern und Rechtsanwalt Dr. W. und dessen Vater als - einzeln - Bevollmächtigten, die u.a. die Vertretung der Vollmachtgeber gegenüber Behörden, einschließlich Finanzbehörden und Gerichten umfasst, sowie eine Fotokopie einer Vollmachtsurkunde vom 30.9.2020, ausgestellt von Rechtsanwalt Dr. W. als Vertreter der Klägerin, mit der die Rechtsanwälte H. u.a. zur Prozessführung im anhängigen Verfahren bevollmächtigt werden.

Das OLG ließ daraufhin Rechtsanwalt Dr. W. und die Rechtsanwälte H. unter Fristsetzung für die Beibringung der Genehmigung der Prozessführung gegen Sicherheitsleistung einstweilen zur Prozessführung zu. Das OLG wies u.a. darauf hin, dass die Erteilung wirksamer Prozessvollmachten mit den vorgelegten Schriftstücken nicht habe nachgewiesen werden können. Die - fotokopierte - Urkunde vom 14.12.2012 stelle keine Prozessvollmacht (für Rechtsanwalt Dr. W.) dar, da sie keinen konkreten Rechtsstreit bezeichne und die Führung eines Anwaltsprozesses nicht umfasse. Die Erteilung der Prozessvollmacht für die Rechtsanwälte H. durch Dr. W aufgrund der Generalvollmacht vom 14.12.2012 sei unwirksam, da den Rechtsanwälten H. habe bewusst sein müssen, dass diese Vollmacht von Dr. W. missbraucht worden sei, um einen weiteren, von vornherein aussichtslosen Rechtsstreit gegen die Beklagten auf Kosten der offensichtlich vermögenslosen Klägerin und damit letztlich auch des Prozessgegners zu führen. Nachdem in der Folge Rechtsanwalt Dr. W. lediglich zwei von ihm selbst als "Generalbevollmächtigter" der Klägerin auf die Rechtsanwälte H. ausgestellte Prozessvollmachten im Original übersandt hatte, verwarf das OLG die Berufung nach erneutem Hinweisbeschluss gem. § 522 Abs. 1 ZPO als unzulässig. Eine wirksame Bevollmächtigung gem. § 80 ZPO sei nicht nachgewiesen, die Prozessführung nicht genehmigt und die festgesetzte Sicherheit nicht geleistet worden. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Rechtsbeschwerde.

Der Beklagte zu 3) rügte auch im Rechtsbeschwerdeverfahren das Vorliegen einer wirksamen Prozessvollmacht zur Vertretung der Klägerin. Die Klägerin legte in der Folge das Original einer schriftlichen Bestätigung der nach ihrem Vortrag zunächst mündlich von Rechtsanwalt Dr. W. erteilten Prozessvollmacht vor, welche dieser im Rahmen seiner Generalvollmacht vom 14.12.2012 für die Klägerin dem als Rechtsanwalt beim BGH zugelassenen Prozessbevollmächtigten Prof. Dr. S. für die dritte Instanz erteilt habe. Auf den mit Beschluss vom 20.6.2023 erfolgten Hinweis des Senats, dass auch die Vollmacht vom 14.12.2012 im Original vorzulegen sei, teilte Prof. Dr. S. mit, die der Erteilung der Prozessvollmacht zugrundeliegende Generalvollmacht der Klägerin für Dr. W. sei nicht mehr auffindbar. Es sei nur eine Kopie dieser Vollmacht gefunden worden. Auf dieser habe der damalige Geschäftsführer der Klägerin seine damals geleistete Unterschrift nunmehr wiederholt.

Die Rechtsbeschwerde der Klägerin hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Die gem. § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist unzulässig, weil ein vollmachtloser Vertreter sie eingelegt hat und die Einlegung durch die Klägerin auch nicht genehmigt worden ist.

Die Klägerin hat den Nachweis der Bevollmächtigung ihres Prozessbevollmächtigten in dritter Instanz bereits nicht in der gesetzlich vorgeschriebenen Weise erbracht, nachdem das Vorliegen einer wirksamen Prozessbevollmächtigung durch den Gegner gerügt worden und daher vom Senat zu prüfen ist (§ 80 Satz 1, § 88 ZPO). Es kann daher dahinstehen, ob die Vollmachtserteilung aus materiellrechtlichen Gründen unwirksam ist.

Gem. § 80 Satz 1 ZPO ist die Vollmacht schriftlich zu den Gerichtsakten einzureichen. Wurde die Prozessvollmacht nicht unmittelbar von der Partei bzw. deren gesetzlichem Vertreter erteilt, muss die Vollmachtkette lückenlos in der Form des § 80 ZPO nachgewiesen werden. Dabei muss grundsätzlich auch die behauptete Generalvollmacht eines Bevollmächtigten zu den Gerichtsakten gegeben werden. Der Nachweis der schriftlichen Vollmacht kann nur durch Einreichung der Originalurkunde - ggf. in beglaubigter Form - geführt werden, die Vorlage von Kopien oder ein urkundlicher Nachweis irgendwelcher Art genügen nicht.

Diesen Anforderungen entsprechen die zum Nachweis der Prozessvollmacht von Rechtsanwalt Prof. Dr. S. für das Rechtsbeschwerdeverfahren vorgelegten Unterlagen nicht. Zwar liegt die Vollmacht, die ihm von Rechtsanwalt Dr. W. erteilt wurde, im Original vor. Die für die Klägerin wirkende Vertretungsmacht des Dr. W., die im Rechtsbeschwerdeverfahren allein auf eine vom damaligen Geschäftsführer der Klägerin ausgestellte Vollmacht vom 14.12.2012 gestützt wird, ist jedoch auch nach dem Hinweis des Senats nicht in der von § 80 Satz 1 ZPO vorgeschriebenen Form durch Vorlage der Originalurkunde nachgewiesen worden.

Die eingereichte weitere Kopie der Vollmachtsurkunde vom 14.12.2012 genügt den vorgenannten Anforderungen nicht. Daran ändert die nachträglich auf der Kopie aufgebrachte und von einem portugiesischen Rechtsanwalt bestätigte Unterschrift des ehemaligen Geschäftsführers der Klägerin nichts. Ebenso wie die Abgabe einer eidesstattlichen Erklärung, ein der Kopie zu Grunde liegendes Original unterzeichnet zu haben, führt auch die spätere schriftliche Bestätigung einer nur als Fotokopie vorliegenden Vollmachtsurkunde nicht dazu, dass diese als Originalurkunde anzusehen ist. Zwar kann die Bestätigung unter Umständen als Genehmigung i.S.d. § 89 ZPO gewürdigt werden, jedoch müssen hierfür dessen Voraussetzungen erfüllt sein (vgl. Zöller/Althammer, ZPO, 35. Aufl., § 80 Rn. 8, § 89 Rn. 9). Hieran fehlt es jedoch, da der die Kopie der Vollmacht vom 14.12.2012 bestätigende V. zum Zeitpunkt der Bestätigung nicht mehr Geschäftsführer der Klägerin war und daher keine diese bindenden Erklärungen abgeben konnte. Eine Genehmigung der Prozessführung durch den derzeitigen gesetzlichen Vertreter der Klägerin ist nicht erfolgt.

Mehr zum Thema:

Kommentierung | ZPO
§ 80 Prozessvollmacht
Althammer in Zöller, Zivilprozessordnung, 35. Aufl. 2024
10/2023

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 07.06.2024 13:39
Quelle: BGH online

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