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BGH v. 7.5.2024 - VI ZR 307/22

Anspruch auf Unterlassung hinsichtlich einer weiteren Veröffentlichung eines Bildes in anderem Kontext

Der BGH hat sich vorliegend mit der Reichweite eines auf die konkrete Verletzungsform beschränkten gerichtlichen Unterlassungsgebots hinsichtlich einer Bildveröffentlichung befasst.

Der Sachverhalt:
Der Kläger (Sohn des bekannten Tennisspielers B) nimmt die Beklagte auf Unterlassung der Veröffentlichung eines Bildnisses sowie Ersatz vorgerichtlicher Abmahnkosten in Anspruch. Die Beklagte veröffentlichte in der Zeitschrift "FREIZEIT REVUE" vom 13.11.2019 einen Artikel mit der Überschrift "B. B. - Als Betrüger entlarvt - Er bricht seiner kranken Mutter das Herz!" und der Zwischenüberschrift: "So sehr hatte sich E. B. gewünscht, dass ihr Sohn endlich einen Weg aus den Schulden findet. Doch er schafft es nicht. Zerbricht die alte Dame jetzt an dieser Enttäuschung?" Der Text des Artikels lautet:

"'Lieber Gott, das kann doch nicht wahr sein!' Mama E. B. blieb fast das Herz stehen, als sie die Schock-Nachricht in ihrer Heimat L. ereilte: Wieder manövriert sich Sohn B. von einer Katastrophe in die nächste - das Drama nimmt kein Ende.
Krise. Überraschend wurde das Insolvenzverfahren des Tennis-Stars vom Londoner Gericht verlängert. Nicht um ein Jahr, nicht um zwei - sage und schreibe zwölf weitere Jahre (bis 2031) halten die Richter für angemessen. Als Strafe. Weil B. sich offenbar mal wieder für schlauer hielt. Er legte nicht wie gefordert sein gesamtes Vermögen offen, um eine Lösung für die Millionen-Schulden zu finden. In seiner Liste fehlten mal eben 5,2 Mio. €. Sein Anwalt nimmt ihn in Schutz: 'Herr B. hat alles im laufenden Verfahren angegeben, aber teilweise zu spät.'
Unfassbar! E. B. ist verzweifelt. Sie hat ihn doch nicht zum Betrüger erzogen! Das Traurige: Jetzt muss sie wieder dieses böse Getuschel ertragen, wenn sie sich überhaupt noch vor die Tür wagt. Und wird wieder mit der Frage konfrontiert: 'Verliere ich jetzt auch mein Haus?' Schließlich gab es schon einmal den Verdacht, dass B. es heimlich verpfändet hätte.
Sorge. Sie hat so viel zu schultern: Seit Längerem kämpft sie auch mit schweren gesundheitlichen Problemen. Sie braucht einen Sohn, der sie in den Arm nimmt. Auf den sie stolz sein kann. So wie früher.
Angst. Stattdessen Sorgen, immer nur Sorgen. E. B. betet dafür, dass B. sein Leben, seine Finanzen endlich in den Griff bekommt. Wenn sie das noch erleben dürfte - es wäre ihr größtes Glück."

Der Beitrag ist u.a. mit dem streitgegenständlichen Bild illustriert, welches B. mit dem Kläger und seinen anderen Söhnen zeigt (Bildaufschrift: "Seine Söhne […]"). Dasselbe Bild wurde von der Beklagten gleichfalls am 13.11.2019 im Rahmen eines Berichts in der Zeitschrift "FREIZEIT SPASS" veröffentlicht (Bildaufschrift: "Sicher fassungslos: Seine Kids [...]"), und zwar unter dem Titel "B. B. - Das Schulden-Urteil schockiert die Welt - Jetzt steht er als Betrüger da!" und der Zwischenüberschrift: "Eigentlich kann man nur den Kopf schütteln über so viel Unvernunft! Es war die letzte Chance für die Tennis-Legende, ihr Leben noch einmal in den Griff zu bekommen. B. hat sie vertan." Der Text dieses Artikels lautet:

"Mensch B. du hattest doch alles! Neun Jahre war B. B. mit seiner L. verheiratet, ist stolzer Papa von vier Kindern - und über Geldsorgen konnte der Ex-Tennis-Star einst nur lachen. Doch Letzteres ist lange her. Seit zwei Jahren kämpft er sich durch die Privatinsolvenz - und jetzt wird alles noch viel schlimmer!
Schock. Denn seine Insolvenzauflagen, die eigentlich bald abgeschlossen sein sollten, wurden jetzt verlängert - um unfassbare zwölf Jahre! Unglaublich: B. ist an der Misere selbst schuld. Der Grund: Er habe Vermögenswerte im Wert von 5,2 Mio. € nicht ordnungsgemäß gemeldet. Ist B. etwa ein Betrüger? Sein Anwalt beschwichtigt, gibt an, B. habe sie lediglich zu spät angegeben. Nicht zu fassen!
Hoffnung. Doch anstatt Reue und Einsicht zu zeigen, nimmt B. das Urteil gelassen. 'Es hat sich nichts geändert an der Tatsache, dass ich Hauptgläubiger komplett befriedigt habe und ich guter Dinge bin, die Schuld an die restlichen Gläubiger bis Weihnachten zu begleichen, erwidert er.
Spannung. Wie kann man in der Situation so aalglatt sein? Nun muss er wirklich in sechs Wochen offiziell rehabilitiert sein. Sonst ist sein Ruf endgültig dahin."


Auf den Antrag des Klägers untersagte das LG der Beklagten im Wege der einstweiligen Verfügung, das Foto, das den Antragsteller zeigt, erneut zu verbreiten, wenn dies geschieht wie in der Zeitschrift "FREIZEIT SPASS" vom 13.11.2019 (Verfahren 2-03 O 542/19). Die Beklagte erkannte diese Verfügung im Wege einer Abschlusserklärung als für sich verbindlich an und machte geltend, deshalb fehle für die streitgegenständliche Unterlassungsklage gegen die Veröffentlichung desselben Bildes in der "FREIZEIT REVUE" das Rechtsschutzbedürfnis.

LG und OLG gaben der Klage antragsgemäß statt und verurteilten die Beklagte u.a., es zu unterlassen, das streitgegenständliche Foto erneut zu verbreiten, wenn dies geschieht wie in der Zeitschrift "FREIZEIT REVUE" vom 13.11.2019. Die Revision der Beklagten hatte vor dem OLG keinen Erfolg.

Die Gründe:
Das OLG hat der Klage auf Unterlassung der erneuten Veröffentlichung des streitgegenständlichen Bildnisses des Klägers, wenn dies geschieht wie in der Zeitschrift "FREIZEIT REVUE" vom 13.11.2019, zu Recht stattgegeben und die Beklagte entsprechend zur Erstattung vorgerichtlicher Abmahnkosten verurteilt. Es hat insbesondere - anders als die Revision meint - zutreffend angenommen, dass das Rechtsschutzbedürfnis für die Unterlassungsklage nicht aufgrund der von der Beklagten im Wege einer Abschlusserklärung als verbindlich anerkannten einstweiligen Verfügung vom 18.12.2019 im Verfahren 2-03 O 542/19 entfallen ist.

Erkennt der Unterlassungsschuldner durch eine Abschlusserklärung eine gegen ihn ergangene Unterlassungsverfügung als nach Bestandskraft und Wirkung einem entsprechenden Hauptsachetitel gleichwertig an, wird dadurch das Rechtsschutzinteresse für eine Hauptsacheklage beseitigt, weil sie einen dem Unterlassungstitel gleichwertigen Vollstreckungstitel entstehen lässt. Diese Wirkung der Abschlusserklärung reicht so weit wie der Verbotsumfang der Unterlassungsverfügung, die der Schuldner als endgültige Regelung anerkannt hat. Das OLG hat hier den Inhalt der von der Beklagten im Wege der Abschlusserklärung anerkannten einstweiligen Verfügung vom 18.12.2019 im Verfahren 2-03 O 542/19, nach deren Tenor der Beklagten die erneute Verbreitung des den Kläger zeigenden Fotos untersagt wird, wenn dies geschieht wie in der Zeitschrift "FREIZEIT SPASS" vom 13.11.2019, richtig dahin ausgelegt, dass dieses Verbot nicht die im vorliegenden Verfahren beanstandete Veröffentlichung in der "FREIZEIT REVUE" vom 13.11.2019 erfasst.

Der streitgegenständliche Beitrag fällt nicht schon deshalb unter das mit der einstweiligen Verfügung ausgesprochene Verbot, weil beide Veröffentlichungen dasselbe Bildnis des Klägers enthalten. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des Tenors der einstweiligen Verfügung, wonach das Verbot der erneuten Verbreitung des Fotos auf die konkrete Verletzungsform, nämlich wie in der Zeitschrift "FREIZEIT SPASS" vom 13.11.2019 geschehen, beschränkt wird. Mit dieser Fassung des Tenors wird der Rechtsprechung des Senats Rechnung getragen, wonach im Bereich der Bildberichterstattung mit einer "vorbeugenden" Unterlassungsklage über die konkrete Verletzungsform hinaus weder eine ähnliche oder "kerngleiche" Bildberichterstattung für die Zukunft noch die erneute Verbreitung eines Bildnisses - sofern die Verbreitung nicht schon an sich unzulässig ist, etwa weil die Intimsphäre tangiert wird - generell verboten werden kann (vgl. u.a. BGH v. 6.10.2009 - VI ZR 314/08, AfP 2010, 60; v. 23.6.2009 - VI ZR 232/08, AfP 2009, 406).

Der Grund für diese Rechtsprechung liegt darin, dass es für die Zulässigkeit einer Bildveröffentlichung in jedem Einzelfall einer Abwägung zwischen dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit und dem Interesse des Abgebildeten an dem Schutz seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts bedarf. Eine solche Interessenabwägung kann jedoch weder in Bezug auf Bilder vorgenommen werden, die noch gar nicht bekannt sind und bei denen insbesondere offenbleibt, in welchem Kontext sie veröffentlicht werden, noch in Bezug auf bereits veröffentlichte Bilder, deren Veröffentlichung sich in einem anderen Kontext als der zu beanstandenden Berichterstattung als zulässig erweisen könnte.

Bei der Beurteilung des Verbotsumfangs der auf die konkrete Verletzungsform bezogenen einstweiligen Verfügung ist daher die die Bildveröffentlichung begleitende Wortberichterstattung mit in den Blick zu nehmen. Insoweit hat das OLG zutreffend angenommen, dass sich die Äußerungen der Beklagten in der Zeitschrift "FREIZEIT SPASS" in Bezug auf Inhalt und Kontext so erheblich von denen in der "FREIZEIT REVUE" unterscheiden, dass die Bildveröffentlichung in letzterer nicht unter die Verbotsverfügung fällt. Der Inhalt der Berichte ist zwar teilweise deckungsgleich. In dem streitgegenständlichen Bericht in der "FREIZEIT REVUE" tritt jedoch ein weiterer selbständiger Berichtsgegenstand in der Textberichterstattung hinzu. Der Schwerpunkt der Berichterstattung liegt hier auch auf den Auswirkungen der Vorkommnisse auf die Mutter von B. sowie deren Sorgen und Ängsten über den Werdegang ihres Sohnes. Dieser inhaltliche Unterschied führt dazu, dass die streitgegenständliche Veröffentlichung nicht von dem mit der einstweiligen Verfügung ausgesprochenen Unterlassungsgebot erfasst wird.

Mehr zum Thema:

Rechtsprechung
Unzulässige Berichterstattung über Privatsphäre einer Fernsehmoderatorin
KG vom 22.02.2024 - 10 U 49/22
AfP 2024, 149
AFP0065942

Rechtsprechung (siehe Gründe)
Zum generellen Verbot der Bildveröffentlichung Minderjähriger
Bundesgerichtshof vom 06.10.2009 - VI ZR 314/08
AfP 2010, 60

Rechtsprechung (siehe Gründe)
Zur Reichweite einer Unterlassungsverpflichtungserklärung nach einer rechtswidrigen Bildveröffentlichung
Bundesgerichtshof vom 23.06.2009 - VI ZR 232/08
AfP 2009, 406

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 27.06.2024 12:41
Quelle: BGH online

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