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Die neue actio pro socio in der BGB-Gesellschaft: Gesellschafterklage nach § 715b BGB (Risthaus, WM 2024, 1249)

Mit dem Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts wird die Regelung der actio pro socio innerhalb des neuen § 715b BGB als „Gesellschafterklage“ kodifiziert. Damit macht der Gesetzgeber alte Streitigkeiten wie die dogmatische Einordnung der actio pro socio weitgehend obsolet, löst jedoch nicht alle zuvor diskutierten Probleme: Insbesondere die Subsidiaritätsvoraussetzungen und die Folgen der Rechtshängigkeit der Gesellschafterklage werden bewusst zur Ausgestaltung der Rechtsprechung überlassen. Dies zum Anlass, fokussiert sich der folgende Beitrag auf die Probleme des neuen Rechts und bietet Lösungsvorschläge. Neben den zwei Schwerpunkten wird die externe Gesellschafterklage § 715b Abs. 1 Satz 2 BGB von der Notgeschäftsführungsbefugnis gem. § 715a BGB abgegrenzt, die Abdingbarkeit der Gesellschafterklage dargestellt und die Sinnhaftigkeit des § 715b Abs. 3 Satz 3 BGB innerhalb der Unterrichtungspflichten beurteilt.


I.  Überblick und Funktion der Gesellschafterklage – § 715b BGB
II.  Dogmatische Herleitung der internen Gesellschafterklage
III.  Voraussetzungen der internen Gesellschafterklage – § 715b Abs. 1 Satz 1 BGB

1.  Subsidiarität
a)  Subsidiarität der actio pro socio
b)  Subsidiarität der internen Gesellschaftsklage
aa)  Argumente für vier Kriterien – inklusive Gesellschafterbeschluss
bb)  Argumente für nur zwei Kriterien – ohne Gesellschafterbeschluss
cc)  Stellungnahme
2.  Zwischenergebnis
IV.  Dogmatische Herleitung der externen Gesellschafterklage
V.  Tatbestandsvoraussetzungen der externen Gesellschafterklage
VI.  Abgrenzung § 715b Abs. 1 Satz 2 BGB zu § 715a BGB
VII.  Abdingbarkeit – § 715b Abs. 2 BGB

1.  Abdingbarkeit der actio pro socio
2.  Abdingbarkeit der Gesellschafterklage
VIII.  Unterrichtungspflichten – § 715b Abs. 3 BGB
IX.  Rechtskrafterstreckung – § 715b Abs. 4 BGB

1.  Rechtskrafterstreckung
2.  Folgen der Rechtshängigkeit
(1) Diskussion
(2) Stellungnahme
X.  Fazit
 

I.  Überblick und Funktion der Gesellschafterklage – § 715b BGB

Die in § 715b BGB kodifizierte Gesellschafterklage als Nachfolgerin der actio pro socio gilt nicht nur für die GbR, sondern entsprechend für andere Personengesellschaften wie gem. § 105 Abs. 3 HGB für die OHG, gem. §§ 105 Abs. 3, 161 Abs. 2 HGB für die KG und gem. § 1 Abs. 4 PartGG für die PartG. § 715b Abs. 1 BGB unterscheidet zwischen der internen Gesellschafterklage (Satz 1) und der externen Gesellschafterklage (Satz 2). Aufgrund von § 715b Abs. 1 Satz 1 BGB ist es einem nicht (allein) geschäftsführenden Gesellschafter möglich, einen Anspruch der Gesellschaft im eigenen Namen auf Leistung an die Gesellschaft gegen einen Mitgesellschafter geltend zu machen, wenn der dazu berufende geschäftsführungsbefugte Gesellschafter dies pflichtwidrig unterlässt. Aufbauend auf Satz 1 ermöglicht die externe Gesellschafterklage auch denjenigen Dritten in Anspruch zu nehmen, der an dem pflichtwidrigen Unterlassen mitwirkte oder dies kannte. Generell ist die Gesellschafterklage funktionell ein wichtiges und gem. Abs. 2 auch unabdingbares Instrument des Minderheitenschutzes. Abs. 3 sieht ferner verschiedene Unterrichtungspflichten während und nach der Klageerhebung vor, unterdessen Abs. 4 die Rechtskrafterstreckung eines rechtskräftigen Urteils der Gesellschafterklage regelt. In der folgenden Ausarbeitung bezeichnen die Begriffe „interne Gesellschafterklage“ die Klagemöglichkeit für Sozialansprüche gem. § 715b Abs. 1 Satz 1 BGB, „externe Gesellschafterklage“ die Klagemöglichkeit für Drittansprüche gem. § 715b Abs. 1 Satz 2 BGB, „actio pro socio“ die interne Gesellschafterklage nach altem Recht und „Einzelklagebefugnis für Drittansprüche“ die externe Gesellschafterklage nach altem Recht.

II.  Dogmatische Herleitung der internen Gesellschafterklage

Der Begriff der actio pro socio stammt ursprünglich aus dem römischen Recht und wurde von der deutschen Rechtsprechung und Rechtswissenschaft weiterentwickelt. Die hier relevante actio pro socio in der Außengesellschaft leitete das Reichsgericht nach Einführung des BGB aus §§ 432, 2039 BGB her, wohingegen der BGH sie unmittelbar aus dem Gesellschaftsvertrag ableitete. In beiden Fällen wurde davon ausgegangen, dass der Kläger mittels der actio pro socio eine Leistung im eigenen Namen an die Gesellschaft fordern könne, dabei aber eigene Ansprüche durchsetze. Diese Charakterisierung der actio pro socio als eigener Anspruch des Klägers wurde zunächst von der Literatur begrüßt. In den 1970er Jahren kritisierten allerdings vor allem Hadding und Nitschke, dass nach modernem Gesamthandverständnis die Gesellschaft Rechtsträgerin der geltend gemachten, unteilbaren Ansprüche sei. Daraufhin entwickelte sich die Auffassung der actio pro socio als Prozessstandschaft. Zunächst war umstritten, ob diese auf einer ergänzenden Vertragsauslegung des Gesellschaftsvertrags beruhe und somit gewillkürt oder ob sie (quasi-)gesetzlicher Natur sei. Die neuere Rechtsprechung ließ die dogmatische Herleitung offen und definierte die actio pro socio als „Geltendmachung eines Anspruchs aus dem Gesellschaftsverhältnis durch einen Gesellschafter im eigenen Namen gegen einen Mitgesellschafter auf Leistung an die Gesellschaft“. Dem neuen § 715b BGB liegt der Leitbildwandel der GbR von der Gesamthandslehre zur rechtsfähigen Außengesellschaft zu Grunde. Der Gesetzgeber hat folglich § 715b BGB als gesetzliche Prozessstandschaft geregelt und damit frühere dogmatische Streitigkeiten weitgehend obsolet gemacht.

III.  Voraussetzungen der internen Gesellschafterklage – § 715b Abs. 1 Satz 1 BGB

Als Zulassungsvoraussetzung muss der Kläger (...)
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 09.07.2024 15:39
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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